György Szabados
Adyton: Adyton – Világpor (Cosmic Dust) – Tánczene (Dance-Music)
György Szabados p, prep-p.
Sándor Vajda b,
István Fekete tp,
Antal Faragó dr, perc.,
Ferenc Körmendy v,
Mihály Dresch ts,
Antal Lakatos ts
Aufg.: 25. 12. 1981 Debrecen
Krem SLPX 17724
(Bezug über K&B, Katharinenstraße 6.; Aschaffenburg)
Der 1939 in Ungarn geborene Pianist György Szabados ist einer der wenigen, auch im Westen bekannten ungarischen Jazzmusiker, geprägt von einem Elternhaus, In dem die Mutter (Sängerin, Musikpädagogin) die künstlerische, der Vater (Arzt), die praktische, weltoffene Seite verkörpern. Die Einflüsse des Jazz gehen zurück in die Bebopzeit, vermittelt durch Rundfunksendungen und gemeinsame Freunde. Doch die ersten Erlebnisse, Erfahrungen waren mehr von der Art von Reflexionen als der eigener musikalischer Begehungen. Parallel zur Entwicklung des Jazz in den USA In den 60er Jahren aber gewonnen in einer eigenständigen Selbstfindungsphase und ohne “Hör- oder Sichtkontakt” mit den wirklichen Neuerern der Jazzgeschichte wie Cecil Taylor, Omette Coleman, John Coltrane, Charles Mingus oder George Russell entwickelte Szabados 1962 in einem Konzert mit dem ungarischen Bassisten Endre Publik in einer halbstündigen Improvisation „freie Teile” zwischen Jazz, Klassik, Atonalität und Folklore, die in Spontaninteraktionen zwischen Pianist und Bassist einmündeten. In einer Zeit, in der in Europa und besonders in Ungarn Klassik, Czardas und traditioneller Jazz dominierten, war dieser „Hungary-born free jazz” für viele, für György Szabados im besonderen ein künstlerisches Wagnis. Zu einer Isolation war es nicht mehr so weit. Da Szabados aber durch seinen Beruf (3 Tage in der Woche Arzt in einem Budapester Betrieb) finanziell abgesichert war, konnte er unbelastet experimentieren, Erfahrungen sammeln, eine eigene von der Musik des Elternhauses, des Liedgutes der ungarischen Volkstradition und der eigenen Experimentierphasen geprägte freie Spielweise entwickeln, mit der er 1972 mit seinem Quintett erstmals außerhalb Ungarns in San Sebastian den großen Festivalpreis errang. Seit dieser Zeit ist er zwar selten, aber beständig – soweit ihm sein Beruf dazu die Zeit läßt – im westlichen Ausland (z. B. in der Frankfurter Alten Oper oder bei den 2. Daxberger Situationen), sucht aber auch in Ungarn den Anschluß an postmoderne Strömungen des Jazz in einer völlig eigenständigen Interpretationsweise zu halten und zu vermitteln.
Die LP Adyton, am 25. 12.1981 In Debrecen eingespielt – Im Anschluß an erfolgreiche Konzerte auch in größerer Besetzung – bezieht ihren Namen einmal aus dem griechischen Wort für das (nicht betretbare) Allerheiligste, das innere Heiligtum des Tempels (auch der Teil des Orakels, über dem der Dreifuß stand) und ist damit das Synonym für das auch für Szabados in der Musik Kostbarste, kokettiert mit dem ersten Wortteil aber auch mit dem ungarischen Dichter Ady als Symbol für progressive Trends in der Kunst und im Denken. „Adyton” ist zunächst auf der einen Plattenseite ein Opus in 3 Sätzen, dessen 1. Satz den Eindruck von Ungewißheit und Vorgefühl ausdrückt, der sich vor einer großen rituellen Feier einstellt, mit Anklängen von Coltranes „Ascension”, einem hymnenartigen Thema, wilden und elegischen Phasen, einem sprechenden Tenorsaxophon von Mihály Dresch und einer beseelten Bratsche von Ferenc Körmendy. Der 2. Satz mit seinen von Szabados sorgfältig komponierten Themen und Rhythmen, kinderliedhaft, fröhlich, volksmusikalisch, zuweilen mit Anklängen mittelalterlicher Hofmusik, symbolisiert das Einschwingen auf Harmonien, die das Fest charakterisieren, ehe im 3. Satz ein Absturz in freie Passagen mit Kollektivimprovisationen, wilden Soli von Antal Lakatos, Tenorsaxophon und István Fekete, Trompete, eingeleitet wird, ehe wieder eine tänzerische Beruhigungsphase einsetzt. Dies alles wird von György Szabados am Flügel in kongenialer Weise punktiert, arrangiert, stimuliert, beatmet.
„Világpor” (Kosmischer Staub), inspiriert von Otto Tolnais Buch gleichen Namens, in Triobesetzung mil Sándor Vajda, Baß, und Antal Faragó Schlagzeug, ist ein Spiel mit der Dynamik, die vom Klavier über Schlagzeug und Baß läuft, einer Spannung, die spontan aus Verzögerung und Akzeleration entsteht. „Tanczene” (Tanzmusik) besitzt durch die repetierend eingesetzte linke Hand, der spröden, aber such wild dagegenhaltenden rechten Hand, mit minimalistischen Effekten, eine fast hypnotische Wirkung und zeigt recht deutlich Szabados Gespür für Struktur und Dynamik, die spontan entstehen.
Ulfert Goeman